„Hilfe, mein Hund schaut nie in die Kamera“ oder „Hilfe, mein Hund mag es gar nicht fotografiert zu werden.“
Diese Aussagen höre ich immer wieder vor einem Shooting und in 99% der Fälle ist diese Sorge völlig unbegründet. Wie ich fast jeden Hund dazu bekomme, süß in die Kamera zu schauen, verrate ich in diesem Beitrag.
1. Das Problem am anderen Ende der Leine
Die meisten Besitzer machen sich Sorgen, weil der Hund zuhause oder auf dem Spaziergang, wenn mal schnell ein Schnappschuss mit dem Handy gemacht wird, nicht schön in die Kamera schaut. Aber warum sollte er auch? Was hast du dafür getan, um seine Blicke zu dir zu lenken? Mit was hast du versucht ihn zu locken und mit welcher Ernsthaftigkeit? Oft scheitert es nämlich wie so oft in der Hundeerziehung schon am anderen Ende der Leine. Bevor man dem Hund also Vorwürfe für fehlende Mitarbeitsbereitschaft machen kann, sollte man immer erst sich selber hinterfragen.
2. 5 Tipps, damit dein Hund in die Kamera schaut
Bei einem professionellen Fotoshooting hingegen gehen wir ganz anders an die Sache heran, als du es auf dem Spaziergang beim Schnappschuss mit deinem Handy tun würdest.
1. Du kannst dich voll und ganz auf deinen Hund konzentrieren
Multi-Tasking und mit der Aufmerksamkeit nur halb beim Hund zu sein, weil du zeitgleich noch die Handykamera bedienen musst, verzeihen die wenigsten Vierbeiner. Nehmen wir also mal an, dass wir im Wald deinen Hund auf einen Baumstamm platzieren und er direkt in die Kamera schauen soll. Dein einziger Job ist es also nun, deinen Hund dort hinzusetzen, ihm „bleib“ zu sagen und dich hinter mich und meine Kamera zu stellen. Du wirst sehen, in den allermeisten Fällen wird das ausreichen, damit dein Hund für 1-2 Sekunden zu dir ( = zu mir in die Kamera) schaut.
2. Was aber, wenn er von der Umgebung so abgelenkt ist, dass er sich nicht auf dich konzentrieren kann?
Dann arbeite ich als erstes mit ganz viel Geduld. Das heißt schlichtergreifend abwarten, bis der Außenreiz vorbei ist oder dein Hund sich halbwegs daran satt gesehen hat. Wenn das soweit ist, hilft im richtigen Moment (!) meistens schon eine direkte Ansprache oder der Griff in den Leckerli-Beutel. Die Betonung liegt deshalb auf „im richtigen Moment“, weil es keinen Sinn macht ununterbrochen deinen Hund zu rufen, zu pfeifen oder mit Leckerlis zu rascheln, wenn ein paar Meter weiter ein spannender Hundekumpel vorbei geht. Dein Hund wird höchstens immer mehr auf Durchzug schalten und dich ignorieren. Da wir grundsätzlich kein Zeitdruck beim Shooting haben, werden wir ihn also erstmal schauen lassen, bis er bereit zur Mitarbeit ist.
3. Wenn auch das nicht hilft, dann können wir schwerere Geschütze auffahren: Leckerlis
Wenn du deinem Hund ein sehr hochwertiges Leckerli (zB. Käse, Wurst, Rinderlunge, etc.) zeigst und anschließend damit weggehst (hinter mich) wird er dir höchstwahrscheinlich hinterherschauen. Wie gesagt, wenn dein Hund 1-2 Sekunden in die Kamera schaut, reicht das. Je nachdem welches Objektiv ich verwende, stehen wir sogar so nah an deinem Hund dran, dass du das Leckerli direkt vor ihn (über meine Kamera) halten kannst. Natürlich funktioniert das arbeiten mit Leckerlis nur, wenn diese hochwertiger sind als der Außenreiz und der Hund (zumindest ab und an) Erfolg und Bestätigung erfährt, indem er das Leckerli bekommt oder es suchen darf.
4. Dein Hund interessiert sich nicht für Leckerlis?
Dann können wir dasselbe einfach mit seinem Lieblings-Spielzeug, einem Quitschie oder spannenden Geräuschen machen. Spätestens dann wird jeder Hund für einen kurzen Augenblick in die Kamera schauen.
5. Eine helfende Hand
Falls es für dich und deinen Hund generell schon eine Herausforderung ist, dass er ruhig sitzen bleibt, während du dich ein paar Meter weit weg bewegst, dann nimm auf jeden Fall eine zweite Person als Helfer mit zu Shooting. Idealerweise kennt diese Person deinen Hund gut, sodass sie weiß wie dein Hund tickt und dein Hund auch eine gute Bindung zu ihr hat. Du kannst dich dann ganz darauf konzentrieren, dass dein Hund sitzen bleibt (wenn nötig auch mit Halsband und Leine), während der Helfer und ich versuchen die Blicke deines Vierbeiners in die Kamera zu lenken.
3. Die richtige Vorbereitung
So, wir haben nun 5 artgerechte Möglichkeiten, wie wir deinen Hund dazu bringen können in die Kamera zu schauen. Und wie oben bereits erwähnt, funktioniert das in 99% aller Fälle. Aber was ist mit dem anderen 1 %?
Nun, es kommt vor, das Besitzer ihre Hunde falsch einschätzen und meinen ihr Bernhardiner wäre so energiegeladen wie ein Border Collie und müsse vor dem Shooting ausgiebig ausgepowert werden. Wenn der armer Bernhardiner also nach einem 2 stündigen Spaziergang, toben auf der Hundewiese, Apportiertraining und Schnüffelspielen endlich „ausgelastet“ (= k.o.) ist, darf er nochmal mindestens eine Stunde auf den Hundeplatz. Warum auf den Hundeplatz? Weil ein Shooting ähnlich anstrengend für die Hunde ist, als eine Trainingseinheit.
Er muss konzentriert bei der Sache sein und eine Stunde lang Sitz, Platz, Steh, Bleib und Komm auf Kommando ausführen. Ich habe es noch nicht mitgezählt, aber geschätzt wird dein Hund 30-100 mal Sitz/Platz/Steh und Bleib machen müssen. Danach wird er vielleicht noch 10 mal abgerufen werden und über eine Distanz von 20 Meter angesprintet kommen (Action-Fotos) und danach soll er auch noch eng umschlungen mit dir Kuscheln und dabei süß aussehen, während ihm doch eigentlich die Zunge aus dem Hals hängt und er die Ohren flach nach Hinten angelegt hat, weil er einfach k.o. ist und sich nun endlich ausruhen möchte. Ein Shooting ist für die meisten Hunde eine Höchstleistung. Nur die wenigste Hunde (meist die Arbeitsrassen wie Border Collie, Aussie und stark jagdlich geführte Hunde) sprühen am Ende des Shootings immer noch vor Energie. Tu deinem Hund also den Gefallen und power ihn vor dem Shooting nicht aus. Gegen einen gemütlichen, kurzen Spaziergang, bei dem dein Hund sich in Ruhe lösen kann ist nichts einzuwenden, aber viel mehr sollte es nicht sein.
4. Den Hund auch mal Hund sein lassen
Daher machen wir natürlich viele Pausen zwischendurch, um es deinem Hund so stressfrei wie möglich zu machen. Dein Hund wird nach jeder „Pose“ und während wir die nächste Bildidee besprechen, die Zeit haben schnüffeln zu dürfen, zu rennen, sich abzulegen oder einfach nur mit dir zusammen zur nächsten Location zu laufen.
Was dein Hund dabei gut tut, muss du selber entscheiden. Es gibt Hunde die brauchen es, zwischendurch mal Dampf ablassen zu können und zu rennen, aber die meisten Hunde werden unkonzentrierter bis sie schließlich irgendwann müde sind und dann erst recht nichtmehr gut Mitarbeiten können.
Ein müder Hund ist also die schlechteste Voraussetzung für ein Fotoshooting. Lieber habe ich Hunde vor der Kamera, die sehr energiegeladen oder aufgeregt sind, uns aber schöne, aufmerksame Blicke schenken, als müde Hunde, denen man die Erschöpfung ansieht und die nur noch resigniert oder gestresst in die Kamera schauen.
Ich hoffe, ich konnte dir bei der mentalen Vorbereitung auf unser Shooting etwas helfen. Mach nicht denselben Fehler wie das fiktive Bernhardiner Frauchen, schätze deinen Hund richtig ein und komme im Zweifel lieber mit zu viel als mit zu wenig Energie zum Shooting. Dir und deinem Tier zuliebe!